Interview • 08.08.2009

Marketing-Trends: „Ohne Massenkommunikation lässt die Bekanntheit schnell nach“

Franz-Rudolf Esch
Franz-Rudolf Esch

Eine Neueinteilung breitet sich im Marketing aus – basierend auf klassischen und modernen Werbekanälen. Bedienen Unternehmen sich der Massenmedien, bedeutet das eine Above-the-line-Strategie, während individuell zugeschnittenes Werben wie beim Online-Marketing mit Below-the-line bezeichnet wird. In der Krise schwören viele auf letztere Methode - das ist billiger.

iXtenso.com fragte bei einem Experten nach. Franz-Rudolf Esch, Professor für Marketing an der Justus-Liebig-Universität Gießen, hält diese Strategie für den falschen Weg und empfiehlt einen Kommunikationsmix sowie mehr Werbung als die Konkurrenz.

iXtenso.com: Herr Esch, der Mobilfunkanbieter E-Plus hat sich im Februar komplett aus der TV-Werbung zurückgezogen, einer typischen Above-the-line-Marketingstrategie. Das Unternehmen gab an, sich in Zukunft mehr auf Direktmarketing und andere Below-the-line-Maßnahmen konzentrieren zu wollen. Heißt das, Fernsehwerbung ist ein alter Hut?

Franz-Rudolf Esch: Nein, das heißt es überhaupt nicht. Am Ende des Tages steht die Frage: „Ist diese Strategie auch erfolgreich?“ Bekanntheit und Image können sehr gut über Massenmedien aufgebaut werden. Das hat E-Plus auch jahrelang gemacht. Viel weniger Menschen würden bei E-Plus kaufen, wenn sie die Marke nicht bereits aus den Massenmedien kennen würden. Ich persönlich halte den Schritt, ganz aus Massenmedien auszusteigen, für gefährlich. Ohne Massenkommunikation lässt die Bekanntheit schnell nach. Eine Abstimmung zwischen Massenmedien und Below-the-line-Maßnahmen ist wichtig.

iXtenso.com: E-Plus gab an, dass sich die TV-Werbung schlicht nicht rentiert habe. Das Unternehmen habe sie insgesamt nicht als besonders effizient empfunden. Deswegen solle das Geld für Fernsehwerbung nun in Kunden- und Produktvorteile investiert werden.

Esch: Es ist natürlich die Frage: Woran macht man den Erfolg fest? Bei Fernsehwerbung spiegelt sich der Erfolg nicht immer in den Umsätzen, sondern vor allem im Image der Marke wider. Als verkaufsfördernde Maßnahme sind sicher andere Tools wichtiger. Aber von wem man sich überhaupt Angebote und Produkte anschaut, entscheiden Image und Bekanntheit. Das spiegelt sich übrigens selbst bei Internetmarken wie eBay wider. Auch diese Firma braucht Massenkommunikation, um im Kopf der Kunden anzukommen. eBay hat daher massiv Werbung in Zeitschriften und Fernsehen gemacht, weil man gemerkt hat, dass man sonst über einen bestimmten Kundenkreis, dem der extrem internetaffinen Menschen, einfach nicht hinaus kommt.

iXtenso.com: Heute hört man von vielen Marketing-Experten, dass Marketing genauer auf den einzelnen Kunden zugeschnitten werden muss. Je konkreter, desto besser. Das spricht doch sehr gegen Above-the-line und für Below-the-line.

Esch: Man kann auch in Massenkommunikationsmedien mit vergleichsweise geringen Streuverlusten Werbung machen und konkrete Zielgruppen ansprechen. Wenn Sie eine Anzeige in der Zeitschrift „Landlust“ schalten, hat sie ganz klar andere Leser als eine Anzeige im „Playboy“. Das ist dann ähnlich wie im Internet, wo neben Artikeln zu bestimmten Themen entsprechende Werbung platziert wird. Außerdem kann man die beiden Marketingstrategien auch vernetzen: Indem die Werbung erst im Fernsehen erscheint und dann im Internet ein Selbstläufer wird. So geschah es bei der Axe Gamekillers-Werbung: Axe hat eine Serie gesendet, in der ein junger Mann eine Frau erobern wollte, andere Protagonisten aber versuchten, ihn daran zu hindern. Der junge Mann muss natürlich immer cool reagieren, um die Frau zu erobern – und um der Marke gerecht zu werden. Nach der Fernsehwerbung wurde die Serie als Spiel ins Internet gestellt – mit entsprechend vielen Zugriffen, da jeder sie aus dem Fernsehen kannte.

iXtenso.com: Trotzdem gibt es einen Trend von Above-the-line- zu Below-the-line-Marketing.

Esch: Man hat vor zehn Jahren schon prognostiziert: Die Printmedien sind tot, das Internet lebt. Aber nein, die Printmedien gibt es auch heute noch. Auch Below-the-line- und Above-the-line-Marketing werden weiter koexistieren. Die Mischung macht’s eben.

iXtenso.com: Warum?

Esch: Das schöne an Below-the-line-Maßnahmen wie Direktmarketing ist, dass man den Erfolg unmittelbar messen kann, man kann den Kunden besser wahrnehmen und seine Interessen analysieren. Daher gibt es eine steigende Tendenz, solche Maßnahmen durchzuführen, sie sind aber eben kein Allheilmittel. Unternehmen brauchen eine strategische Zielsetzung. Dazu muss man sich überlegen: „Wo steht meine Marke? Wie klar ist das Image? Wie breit die Zielgruppe?“ Und dann muss man sich für einen Kommunikationsmix entscheiden, der genau auf die Bedürfnisse der Marke abgestimmt ist. Die intelligente Vernetzung und die inhaltliche und formale Abstimmung der verschiedenen Maßnahmen ist dabei das Wichtigste. Viele Studien belegen das.

iXtenso.com: Klassische Werbung ist teurer als Below-the-line-Werbung. Macht es in der Krise Sinn, auf klassische Werbemaßnahmen wie TV- und Printwerbung zu verzichten und komplett auf Online und andere Below-the-line-Maßnahmen umzusteigen?

Esch: Nein, es macht generell keinen Sinn. Es ist beispielsweise unklar, ob Unternehmen die große und für viele Produkte wichtige Zielgruppe der Best Ager, die Konsumenten über 50, auf diesem Weg erreicht. Das Ziel sollte wohl eher sein, mehr Werbung als die Konkurrenz zu machen. Und zwar verstärkt über die Kanäle, die für das eigene Produkt die wesentlichen sind.

Das Interview führte Anke Barth
iXtenso.com

 

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