Interview • 15.06.2015

"Der Wille des Konsumenten zum bargeldlosen Zahlen muss sich erhöhen"

Interview mit Dr. Markus Weber, Geschäftsführer von Ingenico Payment Services

Dr. Markus Weber: Durch die verbesserten technologischen Möglichkeiten werden...
Dr. Markus Weber: "Durch die verbesserten technologischen Möglichkeiten werden die Spielräume für neue Services immer größer."
Quelle: Ingenico Payment Services
Im Zuge der EU-Gebührenregulierung wird sich der Payment-Markt weiter verändern. Nur größere Zahlungsdienstleister werden es sich angesichts schwindender Margen erlauben können, ständig neue Zahlarten und Payment-Services zu integrieren. Über die genauen Auswirkungen der Regulierung und ihren Effekt auf die Innovationskraft der Branche haben wir mit Payment-Experte Dr. Markus Weber, Geschäftsführer von Ingenico Payment Services, gesprochen.

Herr Dr. Weber, aktuell wird in der Branche intensiv über die EU-Gebührenregulierung diskutiert. Können Sie kurz umreißen, was diese genau beinhaltet und wie die Regulierung Ihrer Meinung nach den Einzelhandel betreffen wird?

Die Ausgestaltung der nationalen Umsetzung der EU-Gebührenregulierung ist für die Branche von erheblicher Bedeutung. Das Pricing-Modell wird über die Akzeptanz und Zukunft von Kartenzahlung und Mobile Payment mitentscheiden. Einerseits wird die Höhe der Gebühreneinnahmen drastisch beschränkt und die Gewinnanreize für neue Marktteilnehmer sinken. Andererseits wird die Regulierung die Kartenzahlung für Händler attraktiver machen, gerade auch im Vergleich zur Cash-Zahlung. Zu erwarten ist, dass künftig mehr Händler Kartenzahlungen ermöglichen, da ihre Kosten nachhaltig gesenkt werden.

Die öffentliche Diskussion wird vom prozentualen Limit in der Gebührenverordnung (0,2 Prozent bei Debit-, 0,3 Prozent bei Kreditkarten) bestimmt. Diese sogenannte Interchange-Gebühr ist bei den internationalen Zahlverfahren (z. B. Visa oder MasterCard) nur eine Komponente der Gesamtgebühr, die der Händler zu bezahlen hat. Zusätzlich muss der Händler Gebühren an die Kartenorganisationen („Scheme Fees“ z. B. an Visa oder MasterCard) sowie eine Gebühr für seinen eigenen Zahlungsdienstleister, den sogenannten Acquirer, entrichten. Die Gebühren an die Kartenorganisationen und den Acquirer sind nicht Gegenstand der EU-Verordnung und unterliegen demnach auch keiner Regulierung.

Aktuell wird intensiv diskutiert, inwieweit die nationalen Zahlverfahren in Deutschland, das EC-Cash-Verfahren über die Girocard sowie die elektronische
Lastschrift („ELV“), von der Regulierung erfasst werden. Diese sehr verbreiteten und für den Händler kostengünstigen Verfahren weisen keine unterschiedlichen Kostenelemente auf und wurden bisher einheitlich mit einer prozentualen Gebühr auf den Kaufpreis bepreist, etwa 0,3 Prozent im Fall der Girocard. Um sicherzustellen, dass auch bei sehr kleinen Kaufbeträgen die Zahlungsdienstleister noch kostendeckend arbeiten können, gab es eine fixe Preisuntergrenze, im Fall der Girocard 8 Cent pro Transaktion. Bei der anstehenden nationalen Umsetzung der EU-Gebührenverordnung muss der deutsche Gesetzgeber unter Federführung des Bundesfinanzministeriums entscheiden, welche Gebührendeckel Girocard und ELV bekommen. Hierbei ist dringend anzuraten, dass die unterschiedlichen Preisstrukturen von nationalen und internationalen Zahlverfahren berücksichtigt werden.

Was sind die nationalen Besonderheiten bei den Bezahlverfahren in Deutschland?

Deutschland ist nach wie vor ein starkes Barzahlungsland. Es reicht nicht allein, wenn Händler künftig häufiger Kartenzahlungen ermöglichen oder das Mobile-Payment-Angebot ausgeweitet wird. Der Wille des Konsumenten zum bargeldlosen Zahlen muss sich erhöhen. Hier führt der Weg zum Erfolg vor allem über eine einfache und intuitive Gestaltung des Zahlungsvorgangs (Convenience) und einen gewissen "Coolness-Faktor".

Der „War on Cash“ wird sich fortsetzen - langfristig ist eine höhere...
Der „War on Cash“ wird sich fortsetzen - langfristig ist eine höhere Akzeptanz für Kartenzahlungen zu erwarten.
Quelle: panthermedia.net / Arne Trautmann
Welche negativen Auswirkungen könnte es für den deutschen Handel geben?

Eine Gefahr bei der nationalen Umsetzung der EU-Gebührenregulierung könnte darin bestehen, dass der regulierte Endpreis für den Händler bei Girocard und ELV in der Diskussion gleichgesetzt wird mit der regulierten Interchange bei den internationalen Zahlverfahren, obwohl letztere nur einen Teil der Händlergebühr darstellt. Wenn jetzt, angespornt durch die Kostensenkungswünsche der deutschen Händlerschaft, die Gebühren von Girocard und ELV auf ein nicht mehr kostendeckendes Level abgesenkt werden, sind diese Zahlverfahren in ihrer Existenz bedroht. Und ohne die Konkurrenz der nationalen Zahlverfahren sind etwaigen Preiserhöhungen bei den nicht regulierten Scheme Fees von Visa und MasterCard Tür und Tor geöffnet.

Wie wird sich die Regulierung Ihrer Meinung nach auf die Anteile von Karten- und Barzahlung auswirken?

Die Bereitschaft des Konsumenten zum Bezahlen mit Karte hängt unter anderem davon ab, ob und wie seine Karte bepreist ist (ob er etwa eine Jahresgebühr bezahlen muss). Hier kommt die Gebührenregulierung ins Spiel: Durch die vorgesehene Deckelung der Interbankenentgelte bricht den kartenherausgebenden Banken eine erhebliche Einnahmequelle weg. Die große Frage ist nun, wie sie diese Einbrüche künftig ausgleichen. Ich gehe nicht davon aus, dass Issuer ihre Verluste 1:1 an den Konsumenten weitergeben werden, indem sie etwa die Gebühren erhöhen. Denn auch unter den kartenherausgebenden Banken herrscht Wettbewerb. Der „War on Cash“ wird sich somit fortsetzen und langfristig ist eine höhere Akzeptanz für Kartenzahlungen zu erwarten.

Mobile Payment wird auch hierzulande immer beliebter. Wie beeinflusst die aktuelle Entwicklung solche Innovationen im Zahlungsverkehr?

Die Regulierung wird das Spielfeld der Zahlungsdienstleister stark verändern und somit auch indirekt den Mobile-Payment-Sektor beeinflussen. Angesichts des knapper werdenden Verteilungsspielraums in der Wertschöpfungskette durch die Regulierung müssen neue Anbieter wie Apple Pay oder Android Pay und auch alle anderen Mobile-Payment-Verfahren Händlern und Nutzern einen Mehrwert bieten, um an anderer Stelle mitzuverdienen. Daher entwickeln sie Produkte im Bereich Convenience, Kundenakquisition und Kundenbindung. Diese Produkte werfen perspektivisch attraktivere Gewinnmargen als der reine Zahlungsverkehr ab.

Durch die verbesserten technologischen Möglichkeiten werden die Spielräume für neue Services immer größer. Im Speckgürtel um das Kernprodukt Payment bewegen sich etwa die Fintechs dieser Welt. Bei aller Technologie-Begeisterung darf man jedoch eines nicht vergessen: Der Konsument muss letztendlich die Dinge akzeptieren. Das gilt für den Bereich Mobile Payment genauso wie für die Kartenzahlung. Die User Experience ist das entscheidende Element. Es entstehen viele neue Ideen, weil sie technisch möglich sind, treffen aber nicht den Convenience-Nerv der breiten Masse. Dies ist künftig die viel größere Herausforderung als die Regulierung.

Interview: Daniel Stöter, iXtenso.com

Weitere Beiträge zum Thema:

Beliebte Beiträge:

Thumbnail-Foto: Hamburger Oak Store setzt auf SaaS-Lösung
16.11.2023   #Warenwirtschaftssysteme (WWS) #Cloud-Computing

Hamburger Oak Store setzt auf SaaS-Lösung

REMIRA RETAIL Cloud digitalisiert Kasse und Backoffice im Handel

Der Hamburger Streetfashion-Anbieter Oak Store...

Thumbnail-Foto: ALDI treibt Recycling voran: Discounter testet Produktverpackungen mit...
07.12.2023   #Tech in Retail #Verpackungen

ALDI treibt Recycling voran: Discounter testet Produktverpackungen mit digitalen Wasserzeichen

ALDI engagiert sich für eine verbesserte Trennung von Kunststoffverpackungen ...

Thumbnail-Foto: Neue Überfalltaste von Verisure schützt bedrohte Mitarbeitende...
20.10.2023   #Sicherheit #Personalmanagement

Neue Überfalltaste von Verisure schützt bedrohte Mitarbeitende

Bei einem stillen Alarm handeln die Profis in der Notruf- und Serviceleitstelle des Sicherheitsanbieters sofort

Mitarbeitende in Geschäften, Praxen und anderen Gewerberäumen erhalten mit der neuen Überfalltaste des Sicherheitsanbieters Verisure noch schneller professionelle Hilfe, wenn sie beispielsweise von einer aggressiven Kundin oder einem ...

Thumbnail-Foto: SALTO Neo Zylinder für Schlüsselschalter und Rohrtresore...
31.10.2023   #stationärer Einzelhandel #Sicherheit

SALTO Neo Zylinder für Schlüsselschalter und Rohrtresore

Mit zwei neuen Modellen des SALTO Neo erweitert SALTO das Einsatzspektrum seiner elektronischen Zylinder

Neu sind empfindliche Schlüsselschalter sowie z.B. Schlüsseldepots und Rohrtresore. Der SALTO Neo Zylinder E7 mit gefederter Rückstellung des Schließbarts ist ein elektronischer Halbzylinder mit Europrofil, der speziell für ...

Thumbnail-Foto: HP Engage Express Kiosk – Die Zukunft des Self-Service bei POSBOX...
31.10.2023   #Self-Checkout-Systeme #Selbstbedienung

HP Engage Express Kiosk – Die Zukunft des Self-Service bei POSBOX

Vielseitige und flexible Möglichkeiten für den stationären Einzelhandel

Der Point-of-Sale im Einzelhandel hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt: Neben bedienten Kassenstationen erleben Self-Service-Lösungen im stationären Handel eine große Verbreitung. Wie eine Markterhebung des EHI Retail ...

Thumbnail-Foto: Erfolgsfaktor Payment: Mehr als nur bezahlen
15.01.2024   #Tech in Retail #Zahlungssysteme

Erfolgsfaktor Payment: Mehr als nur bezahlen

Rückblick ins Jahr 1994: Datenbanken und ERP-Systeme, erste kommerzielle Websites, Mobiltelefone mit Farbdisplay, CD-ROMs, die Programmiersprache Java ...

Thumbnail-Foto: REWE Group fit für digitale Transformation
27.11.2023   #stationärer Einzelhandel #App

REWE Group fit für digitale Transformation

Digitales Wachstum der REWE Group: Kunden-WLAN und Multiprovider SD-WAN Standortvernetzung der ersten Generation

Die REWE Group ist fit für die digitale Transformation. Smart Shopping und mobiles Bezahlen, E-Commerce und Onlinehandel sind schnell wachsende Servicesegmente. Die REWE Group ist darauf vorbereitet. Mit einer zukunftssicheren ...

Thumbnail-Foto: Neuer elektronischer Kurzbeschlag XS4 Mini Metal von SALTO...
04.10.2023   #stationärer Einzelhandel #Sicherheit

Neuer elektronischer Kurzbeschlag XS4 Mini Metal von SALTO

SALTO Systems erweitert seine Serie elektronischer Kurzbeschläge mit dem XS4 Mini Metal um ein neues Design mit Metallgehäuse.

Der Beschlag ist einfach zu installieren, elegant, robust und mit modernster Zutrittstechnologie ausgestattet. Das neue Modell macht es leichter denn je, von teuren, unsicheren und unflexiblen mechanischen Schließsystemen auf ...

Thumbnail-Foto: KI-gestützte Suite von Alibaba International erleichtert globales...
08.01.2024   #Handel #Kundenzufriedenheit

KI-gestützte Suite von Alibaba International erleichtert globales Wachstum für KMU

Überwindung von Grenzen: Wie Alibaba's Aidge KMU global unterstützt

Der globale Handel bietet KMU viele Vorteile. Er eröffnet den Zugang zu neuen Kunden und kann bei der Entwicklung ...

Thumbnail-Foto: Klimaschonendes Energiekonzept im Mixed-Use Gebäude:...
03.01.2024   #stationärer Einzelhandel #Tech in Retail

Klimaschonendes Energiekonzept im Mixed-Use Gebäude:

Zukunftsfitter SPAR in der Vollbadgasse

Der neue SPAR-Supermarkt in der Vollbadgasse im 17. Bezirk bietet nicht nur ein topmodernes, urbanes Sortiment, ...

Anbieter

m3connect GmbH
m3connect GmbH
Pascalstraße 18
52076 Aachen
POSBOX GmbH
POSBOX GmbH
Süchtelner Str. 16
41066 Mönchengladbach
SALTO Systems GmbH
SALTO Systems GmbH
Schwelmer Str. 245
42389 Wuppertal
Verisure Deutschland GmbH
Verisure Deutschland GmbH
Balcke-Dürr-Allee 2
40882 Ratingen
REMIRA Group GmbH
REMIRA Group GmbH
Phoenixplatz 2
44263 Dortmund