Interview • 08.06.2015

"Beim Repricing geht es nicht um reines Preisdumping!"

Interview mit Tim Scharmann, Head of Marketing & Sales bei Patagona

Tim Scharmann: Die automatisierte Preisoptimierung kann vor allem...
Tim Scharmann: "Die automatisierte Preisoptimierung kann vor allem Arbeitskapazität frei setzen."
Quelle: Patagona GmbH
Gerade im Online-Handel ist der Preis ein wichtiger Faktor. Kunden achten zwar auch auf das Serviceangebot eines Händlers - aber wenn die Konkurrenz überall nur einen Klick entfernt ist, kann sich ein Händler insbesondere mit einer intelligenten Preisgestaltung Vorteile sichern. Tim Scharmann, Head of Marketing & Sales bei Patagona, erläutert im Interview, wie Online-Händler ihre Preisgestaltung umfassend optimieren können.

Herr Scharmann, warum spielt der Preis gerade im Online-Handel eine besonders große Rolle?

Der Kunde ist König! Dieses alte Prinzip gilt umso mehr im E-Commerce, hat der König vor seinem Rechner doch alle Macht nur dem Anbieter seiner Wahl die Gunst eines Einkaufes zu gewähren. Während im stationären Handel unbewusste Faktoren wie die Beleuchtung und Einrichtung des Ladens, das Auftreten des Verkäufers, die Präsentation der Produkte und vor allem die Entfernung zum nächsten Markt mit demselben Produktangebot eine wichtige Rolle spielen, fallen diese zentralen Kaufentscheidungskriterien im Online-Handel fast völlig weg.

Auf Vergleichsportalen oder Marktplätzen (wie Amazon, eBay und Google Shopping) findet der Kunde alle Produkte im gleichen Stil präsentiert vor. Das entscheidende Kriterium für den Klick auf den einen oder den anderen Online-Shop ist der Preis. Auch wenn Faktoren wie Markenname, Lieferzeit und Kundenbewertung auf sekundärer Ebene eine Rolle bei der Kaufentscheidung spielen können, wird der Kunde nur selten auf der Domain bzw. dem Marktplatz des teureren Anbieters landen.

Was ist mit dem Begriff „Repricing“ gemeint und wie funktioniert das Ganze in der Praxis?

Der Begriff „Repricing“ bezeichnet die Analyse konkurrierender Preise und die automatisierte Anpassung des eigenen Preises. Die Begriffe Preisoptimierung oder Preisautomatisierung sind meist verständlicher und werden deshalb auch häufiger verwendet. 

In der einfachsten Form liefern uns unsere Kunden eine Liste mit Produkten, die sie überwachen möchten. Wir schauen dann auf den gewünschten Vergleichsseiten und Marktplätzen nach, wie viel diese Produkte bei der Konkurrenz kosten. Nach vorher mit dem Händler vereinbarten Parametern, liefern wir anschließend eine Liste mit Preisempfehlungen zurück.

In vielen Fällen schicken wir diese Preisempfehlungen direkt an die Warenwirtschaft oder das Shopsystem. Von dort gelangen die Preise dann auf die entsprechenden Portale. Über vorher definierte Preisober- und -untergrenzen bestimmen die Händler selbst den Korridor, innerhalb dessen die Empfehlungen abgegeben werden. So behält der Händler die Kontrolle über ihre Preisgestaltung.

Welche konkreten Vorteile hat eine Lösung für die automatische Preisoptimierung für den Händler?

Viele Händler kontrollieren täglich die Preise ihrer Produkte manuell und nicht selten werden dafür mehrere Mitarbeiter eingesetzt. Bei größeren Produktsortimenten kann diese manuelle Optimierung der Preise ohnehin nur noch bei einem Bruchteil der Produkte funktionieren. Das ganze kostet vor allem Zeit.

Die automatisierte Preisoptimierung kann daher vor allem Arbeitskapazität frei setzen. Diese kann dann an anderer Stelle, z.B. bei der Vermarktung der Produkte oder der Ausweitung des Sortiments, sinnvoller eingesetzt werden. Zudem werden in diesem Prozess viele Daten gesammelt. Wenn man diese Daten entsprechend aufbereitet, können damit Informationen für wichtige strategische Entscheidungen bereitgestellt werden, die z.B. das Marketing, die verfolgte Preisstrategie oder das Produktsortiment selbst betreffen.

Beim Repricing geht es nicht um reines Preisdumping!...
Quelle: Patagona GmbH
Bei der Preisgestaltung spielt natürlich auch die Beobachtung der Mitbewerber eine Rolle. Aber Preisoptimierung bedeutet doch sicherlich nicht nur, immer billiger als die Konkurrenz zu sein?

Tatsächlich geht es weniger um das „Immer-billiger-sein“, sondern vielmehr um intelligente Preisstrategien. Welche Preisstrategie für einen Online-Shop sinnvoll ist, ist eine Frage von Erfahrungswerten. Es gibt verschiede Möglichkeiten individuelle Preisziele zu verfolgen. Diese verschiedenen Ziele lassen sich dabei gleichzeitig auf drei Ebenen umsetzen und sind untereinander unterschiedlich kombinierbar: für das gesamte Produktsortiment, für Teile des Sortiments (z.B. aufgeteilt nach Herstellern) und auf der Ebene einzelner Artikel. Jeder Händler kann somit seine ganz eigene Preisstrategie implementieren.

Die Angst vieler Händler, beim Repricing gehe es um reines Preisdumping, ist daher unbegründet. Um die viel gefürchteten Preisabwärtsspiralen nicht nur zu vermeiden, sondern diesen aktiv entgegenzuwirken, haben wir eine spezielle Strategie eintwickelt. Hierbei erhöhen wir sukzessiv und in kleinen Intervallen den Preis und schauen dabei, ob die Konkurrenz ebenfalls mitzieht. Es ist also ein Versuch, das Preisniveau aktiv anzuheben.

Die Händler, die auch in einigen Jahren noch erfolgreich am Markt unterwegs sein werden, sind nicht diejenigen mit den günstigsten Preisen, sondern die mit der intelligentesten Preisstrategie.

Bei Multichannel-Händlern sollte die Preisoptimierung im Idealfall natürlich alle Kanäle umfassen. Wie kann ein Händler sicherstellen, dass sein Preis wirklich auf allen Kanälen gleich ist?

Wir speisen die generierten Preisempfehlungen immer in das preisführende System ein, von wo aus der Preis weitergegeben wird. Bei stationären Händlern, die zusätzlich einen Online-Shop betreiben, wird der Preis also in die Warenwirtschaft eingespeist und geht von dort an das Shopsystem, von wo die Preise wiederum ins Netz gelangen. Man sollte sich hierbei allerdings überlegen, ob ich im stationären Handel tatsächlich dieselben Preise anbieten kann bzw. will, wie im Netz.

Zudem können auch im Netz unterschiedliche Preise umgesetzt werden, da je nach Vergleichsseite oder Marktplatz (z.B. Amazon = 10%-15% des Verkaufswertes) andere Preisbedingungen herrschen. Es ist daher möglich, für jeden Kanal bzw. Unterkanal, eigene Preise zu berechnen und zu implementieren.

Interview: Daniel Stöter, iXtenso.com

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