Fachbeitrag • 12.09.2016

Automatische Erkennung illegaler Onlineshops für Medikamente

Es ist durchaus möglich, illegale Onlineshops im Netz zu enttarnen

Foto: Automatische Erkennung illegaler Onlineshops für Medikamente...
Quelle: panthermedia.net/Alexander Khoruzhenko

In der Medikamentenbranche wurde hierzu ein spezielles Analysetool entwickelt. Hierdurch ergeben sich Möglichkeiten für einen sichereren Onlinehandel. Für Kunden und Händler ein deutliches Plus.

Illegale Angebote bezüglich des Versands verschreibungspflichtiger Medikamente sind allgegenwärtig. Werbung für Viagra und andere verbreitete Mittel sind ein häufiger Inhalt von Spam-Emails. Aber auch eine Suchanfrage im Internet über die gebräuchlichsten Suchmaschinen liefert tausende von Treffern.

Das vom BMBF geförderte interdisziplinäre Forschungsprojekt „ALPhA“ (kurz für „Auswirkungen der Liberalisierung des Internethandels in Europa auf den Phänomenbereich der Arzneimittelkriminalität“) untersucht, wie mit juristischen und technischen Maßnahmen gegen entsprechende Angebote vorgegangen werden kann.Forschungskontext sind hierbei zivile Sicherheit und Wirtschaftskriminalität. Bürger, die potentielle Kunden von Onlineapotheken sind und für die legale Angebote einen hohen Nutzen bringen können, sind hinsichtlich der illegale Alternativen verunsichert. Viele illegale Shopsysteme tarnen sich durch deutsche Kontaktadressen und Telefonnummern. Eine Bestellung kann trotzdem zu einem illegalen Erwerb verschreibungspflichtiger Medikamente führen, was gegebenenfalls sogar nur für den Kunden, nicht aber den Betreiber der Onlineapotheke eine Strafe nach sich zieht. Denn das Internet ist ein internationaler Raum, in dem ausländische Angebote durchaus in deren Heimat legal sein können, deren Nutzung durch deutsche Staatsbürger hingegen nicht.

Hinweise auf illegale Online-Shops

Wie wird ein Interessent vorgehen, der beispielsweise ein Medikament im Internet besonders günstig erwerben möchte? In den meisten Fällen wird er eine Suchanfrage formulieren, die in etwa [Medikament]+“günstig/Angebot/billig“ beinhalten wird. Möchte er gezielt die Rezeptpflicht umgehen, kommt noch ein Begriff wie „rezeptfrei“ hinzu.

Die verbreitetste Suchmaschine ist Google. Sie ist auch darauf angelegt, gezielt Werbung zu unterbreiten und bietet neben allgemeinen Suchtreffern auch spezielle Shopping-Treffer an. Wettbewerbern ist es möglich, durch Zahlung von Gebühren eine privilegierte Position in der Ergebnisdarstellung zu erreichen.

Möchte der Kunde besonders vorsichtig sein, nutzt er eventuell auch einen anonymisierten Zugang zu den Angeboten. Verbreitet ist hier der Anonymisierungsdienst TOR. Dieser maskiert die Identitäten der Netzteilnehmer durch eine Verkettung von Weiterleitungen. Mittels TOR können auch spezielle Angebote erreicht werden, welche im herkömmlichen WWW, welches von Google indexiert wird, nicht verfügbar sind. Bekannt geworden ist dieses sogenannte „Darknet“ für Drogen und Waffen, aber auch Medikamente sind hier verfügbar.

Eine alternative Form des Erstkontakts mit einem illegalen Shop ist Spam. Hier werden dem potentiellen Käufer Emails mit einem Angebot beispielsweise für Potenzmittel zugeschickt. Weiterhin können auch Empfehlungen für Shops in Sozialen Medien oder Foren ausgesprochen werden. Diese können beispielsweise mit einem Erfahrungsbericht gekoppelt oder aber auch Teil einer Antwort auf eine Frage einer dritten Person sein. Wichtig ist hier zu beachten, dass üblicherweise Identitäten innerhalb von Foren oder sozialen Medien oft nicht nachvollziehbar sind. Häufig werden positive Bewertungen oder Rezensionen von Produkten und Diensten erkauft. Demensprechend ist zu vermuten, dass viele Hinweise auf illegale Online-Shops tatsächlich nur gezielte Werbeinformationen sind, die sich als Nutzerkommentar tarnen.

Dr.-Ing. Martin Steinebach, Abteilungsleiter „Media Security and IT...
Dr.-Ing. Martin Steinebach, Abteilungsleiter „Media Security and IT Forensics“ am Fraunhofer SIT
Quelle: Fraunhofer SIT

Technische Abbildung juristischer Vorgaben

Ob ein Angebot legal oder illegal ist, kann nicht rein technisch entschieden werden. Die Regeln stammen vielmehr aus dem Arzneimittelgesetz. Aus diesem lassen sich Anforderungen an eine Online-Apotheke ableiten, anhand derer ein Mensch ihre Legalität prüfen kann. Im Normalfall dienen diese Regeln dazu, nach ihrem Vorbild einen legalen Onlineshop zu gestalten. Illegal wird der Shop dann durch ein Abweichen dieser Regeln, wobei in der Praxis mit Abstufungen zu rechnen ist. In den Anfangstagen des Onlinehandels beispielsweise waren die Regeln für das Vorhandensein eines Impressums und seiner Gestaltung nicht allgemein verbreitet, wodurch sich eigentlich legale Shops sich hier nicht regelkonform verhalten haben. Dadurch wurde das verfügbare Angebot im Shop nicht illegal, der Internetauftritt selbst war aber nicht gesetzeskonform.

Die technische Herausforderung ist nun, diese Sammlung von Regeln, die das Gesetz vorgibt, automatisiert durchzuführen. Hier treffen oft in einem gewissen Rahmen absichtlich interpretierbar gehaltene Gesetze auf algorithmische Anforderungen, die erst einmal eine klare Entscheidungsgrundlage benötigen.

In ALPhA wurde eine entsprechende Lösung erfolgreich implementiert: Auf Basis der juristischen Expertise von Projektpartnern wurden typische Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz identifiziert, die bei illegalen Onlineshops auftreten. Diese wurden dann in algorithmisch überprüfbare Regeln überführt. Eine Suche nach einem illegalen Shop verfolgt zuerst den gleichen Weg wie ein typischer Anwender: Über eine Suchmaschine werden Angebote zu einem Medikament abgerufen. Diese werden dann zur weiteren Untersuchung und als späterer Beleg heruntergeladen.

Hierzu sind verschiedene Techniken notwendig, um der Vielfalt von Webtechnologien und auch Schutzmaßnamen der illegalen Shops begegnen zu können. Sind die Daten lokal vorhanden, werden sie analysiert. Hierzu wurden verschiedene Module implementiert, die jeweils ein einzelnes Kriterium überprüfen. Ein Modul prüft beispielsweise, ob die Apotheke, wie vorgeschrieben, in einer zentral gepflegten Liste von Versandapotheken eingetragen ist, was technisch einfach umzusetzen ist.

Ein anderes stellt fest, ob sich das Angebot an deutsche Kunden richtet, indem es die vorherrschende Sprache über computerlinguistische Verfahren feststellt. Komplexer ist eine automatisierte Beurteilung, ob ein Angebot einen unzulässigen Rabatt beinhaltet. Hier müssen Vergleichswerte aus anderen, als legal eingestuften Shops herangezogen werden, solange kein direkter Zugang zu Informationssystemen der Apotheken existiert. Ebenfalls eine Herausforderung ist die Prüfung, ob verschreibungspflichtige Medikamente rezeptfrei angeboten werden. Hier kann bisher nur mit der Suche nach festgelegten Phrasen erfolgreich gearbeitet werden.

Die Summe all dieser Module kann dann zu einer automatisierten Einschätzung führen, ob ein Shop illegal ist. Dabei liefert die Summe der Verstöße gegen die einzelnen Regeln einen guten Anhaltspunkt, wie zuverlässig die Entscheidung ist. Ein Ermittler, der das Werkzeug nutzt, um gegen illegale Angebote vorzugehen, kann sich somit auf die besonders augenfälligen Fälle konzentrieren.

Autor: Dr.-Ing. Martin Steinebach, Abteilungsleiter „Media Security and IT Forensics“ am Fraunhofer SIT

Weitere Beiträge zum Thema:

Beliebte Beiträge:

Thumbnail-Foto: Wie schützen VPNs Ihre Online-Privatsphäre?...
15.11.2023   #Onlineplattform #IT-Sicherheit

Wie schützen VPNs Ihre Online-Privatsphäre?

Die rasante Expansion des digitalen Raums bringt sowohl Bequemlichkeit als auch Risiken ...

Thumbnail-Foto: KI-Unterstützung für den zunehmenden Online-Handel...
22.01.2024   #Online-Handel #stationärer Einzelhandel

KI-Unterstützung für den zunehmenden Online-Handel

Wie CALIDA mit TIA A3 die Absatzplanung erfolgreich dezentralisiert hat

Die Absatzplanung bei CALIDA, einem traditionsreichen Schweizer Wäschehersteller, ist durch den zunehmenden Onlinehandel in den vergangenen Jahren noch komplexer geworden ...

Thumbnail-Foto: Neue Überfalltaste von Verisure schützt bedrohte Mitarbeitende...
20.10.2023   #Sicherheit #Personalmanagement

Neue Überfalltaste von Verisure schützt bedrohte Mitarbeitende

Bei einem stillen Alarm handeln die Profis in der Notruf- und Serviceleitstelle des Sicherheitsanbieters sofort

Mitarbeitende in Geschäften, Praxen und anderen Gewerberäumen erhalten mit der neuen Überfalltaste des Sicherheitsanbieters Verisure noch schneller professionelle Hilfe, wenn sie beispielsweise von einer aggressiven Kundin oder einem ...

Thumbnail-Foto: EuroCIS 2024: Go beyond today!
16.10.2023   #Handel #Tech in Retail

EuroCIS 2024: Go beyond today!

Vom 27. bis 29. Februar 2024 trifft sich in Düsseldorf das Who is Who der Retail Technology Branche Europas

Go beyond today! Die EuroCIS zeigt Ende Februar wieder Lösungen und Produkte für den Handel der Zukunft @Messe DüsseldorfEnde Februar werden auf der EuroCIS, The Leading Trade Fair for Retail Technology, wieder zahlreiche Unternehmen ...

Thumbnail-Foto: Hilfe für den Handel: Wir stellen vor – „Handel innovativ“...
26.10.2023   #Online-Handel #stationärer Einzelhandel

Hilfe für den Handel: Wir stellen vor – „Handel innovativ“

Das Projekt unterstützt den stationären Einzelhandel bei der Umsetzung digitaler Services – auch bei der Personalgewinnung

Neue digitale Lösungen sowie Verknüpfungen von Vertriebsformen des Einzelhandels mit Online-Angeboten. Sie zu entwickeln – dabei hilft das Projekt „Handel innovativ" dem Einzelhandel – nicht nur mit Know-how, sondern ...

Thumbnail-Foto: Erfolgsfaktor Payment: Mehr als nur bezahlen
15.01.2024   #Tech in Retail #Zahlungssysteme

Erfolgsfaktor Payment: Mehr als nur bezahlen

Rückblick ins Jahr 1994: Datenbanken und ERP-Systeme, erste kommerzielle Websites, Mobiltelefone mit Farbdisplay, CD-ROMs, die Programmiersprache Java ...

Thumbnail-Foto: Autonome Stores aus aller Welt – ein Überblick...
18.12.2023   #Tech in Retail #Self-Checkout-Systeme

Autonome Stores aus aller Welt – ein Überblick

Die Stores gibt es in verschiedenen Segmenten des Einzelhandels wie LEH, Mode, Elektronik, Convenience Stores und Fast Food.

In einer hart umkämpften globalen Einzelhandelslandschaft befinden sich autonome Stores im Aufschwung. Sie tragen dem veränderten Verbraucherverhalten Rechnung, senken Betriebskosten, verbessern die Rentabilität und tragen zur ...

Thumbnail-Foto: Klimaschonendes Energiekonzept im Mixed-Use Gebäude:...
03.01.2024   #stationärer Einzelhandel #Tech in Retail

Klimaschonendes Energiekonzept im Mixed-Use Gebäude:

Zukunftsfitter SPAR in der Vollbadgasse

Der neue SPAR-Supermarkt in der Vollbadgasse im 17. Bezirk bietet nicht nur ein topmodernes, urbanes Sortiment, ...

Thumbnail-Foto: Trigo und Netto kündigen einen autonomen Supermarkt mit...
24.01.2024   #Tech in Retail #Künstliche Intelligenz

Trigo und Netto kündigen einen autonomen Supermarkt mit Echtzeit-Quittungsfunktion an.

„Letzter Schritt” zum reibungslosen Einkaufen schafft Vertrauen bei Verbrauchern, die ihre Quittungen VOR dem Verlassen des Geschäfts einsehen möchten
Lebensmittelmarkt mit einer Verkaufsfläche von 800 m2 mit Computer Vision AI ist der größte neu ausgerüstete Supermarkt in Europa, der eine reibungslose Checkout-Erfahrung bietet

Trigo, ein führender Anbieter von KI-gestützter Computer-Vision-Technologie, die herkömmliche Einzelhandelsgeschäfte in digitale Smart Stores verwandelt, und die Discounter-Supermarktkette Netto Marken-Discount (auch als Netto ...

Thumbnail-Foto: Digitale Konzepte für den stationären Einzelhandel...
27.10.2023   #stationärer Einzelhandel #Self-Checkout-Systeme

Digitale Konzepte für den stationären Einzelhandel

Der Onlinehandel boomt. Stationäre Geschäfte haben aber noch längst nicht ausgedient.

Betreiber*innen können sich auch dort den Fortschritt zum Vorteil machen und die Kundeneffizienz durch den gezielten Einsatz digitaler Tools optimieren.Digitale Lösungen sind auch im stationären Handel zukunftsweisendBeim Einkauf in ...

Anbieter

POSBOX GmbH
POSBOX GmbH
Süchtelner Str. 16
41066 Mönchengladbach
Verisure Deutschland GmbH
Verisure Deutschland GmbH
Balcke-Dürr-Allee 2
40882 Ratingen
REMIRA Group GmbH
REMIRA Group GmbH
Phoenixplatz 2
44263 Dortmund
SALTO Systems GmbH
SALTO Systems GmbH
Schwelmer Str. 245
42389 Wuppertal
m3connect GmbH
m3connect GmbH
Pascalstraße 18
52076 Aachen